Musikalisches Abendgebet

Das Abendgebet- auch Vesper genannt, ist ein Gottesdienstform, die es seit dem Mittelalter gibt. Sie wird noch immer in lutherischen Kirchen (EKG 785) gefeiert. In Norddeutschland war dieser Gottesdienst die Gelegenheit, viel Musik erklingen zu lassen, und so machen wir es hier auch. Es kommen Psalmen, Bibelgeschichten, Lieder und Gebete vor. Der Höhepunkt ist das Magnificat – oder Lobgesang der Maria. Diese Verse werden heute Abend (in norddeutscher Tradition) mit Liturgin und Orgel abwechselnd vorgebetet. Nachdem die Liturgin den ersten Vers singt, kommt der 2. Vers von der Orgel und so weiter. So erklang es jahrhundertlang in den Kirchen unseres Landstrichs. Der Text ist unter EKG 785.6 zu finden und fängt mit „Meine Seele erhebt den Herren“ an – also Magnificat anima mea

Geschichte der Orgel

Gottfried Fritzsche (1637/38), Arp Schnitger (1677), Johann Paul Geycke (1770) und Philipp Furtwängler (1848/49) haben an der wohl aus dem 16. Jahrhundert stammenden Orgel gewirkt. Zu Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde sie umfangreich von Fa. Hillebrand aus Hannover restauriert.

Die ursprüngliche Orgel stammte wahrscheinlich aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Ihr Erbauer ist unbekannt. Sie wurde 1637/38 von Gottfried Fritzsche aus Altona-Ottensen und 1677 von Arp Schnitger (damals noch in Stade wohnhaft) repariert. Es war der erste Auftrag für Schnitger als selbständiger Meister. Diese alte Orgel befand sich - laut Inventarium von 1784 - auf der Nordseite nicht weit vom Altar.

1770 wurde sie nach Westen verlegt und um vier Stimmen, zwei Zimbel-Sterne und einen Tremulanten vermehrt. Das geschah durch den Hamburger Orgelbauer Johann Paul Geycke. Zudem erweiterte er die Orgel um zwei Basstürme und gab ihr den heutigen Prospekt. Die damalige 20-stimmige Disposition verzeichnete 1833 der Lesumer Organist Renken. 1848/49 entfernte Philipp Furtwängler aus Elze das Brustwerk und legte dafür ein neues Hinterwerk an.
In den Jahren 1989 bis 1993 wurde die Orgel von der Fa. Gebr. Hillebrand aus Hannover restauriert. Das Hinterwerk Furtwänglers wurde hierbei entfernt und die Disposition von 1770 des Johann Paul Geycke rekonstruiert, so dass die Orgel nunmehr wieder 22 Register auf den Werken Hauptwerk, Brustwerk und Pedal besitzt. Aufgrund der wertvollen, älteren Register, welche von Geycke wiederverwendet wurden, ist das einzige Geycke-Register der Pedalprinzipal 8. Im Hauptwerk und Brustwerk wurden das Pfeifenmaterial von 1637/38 des Orgelbauers Gottfried Fritzsche restauriert, welcher ebenfalls schon ältere Pfeifenreihen der "Scherer Schule" verwendete. Nachweisliche Dispositionsänderungen durch Arp Schnitger im Jahre 1677 wurden in allen drei Werken aufgrund des vorhandenen Pfeifenmaterials restauriert bzw. rekonstruiert.
Im März 2011 wurde an der Orgel ein großer Bleifraß-Schaden festgestellt. Über 1000 Orgelpfeifen waren betroffen, 853 Labialpfeifen und 168 Lingualpfeifen. Die Restaurierungsarbeiten wurden von Fa. Hillebrand durchgeführt.                             

Disposition:
(22 / HW/BW/Ped)

 

Hauptwerk
Principal 8’ (H)
Quintadena 16’ (a)
Gedackt 8’ (a)
Octava 4’ (a)
Gedact 4' (a,H)
Nasat 3’ (a,H)
Octava 2'(a,H)
Tertia 1 3/5’ (a,H)
Mixtur IV (H)
Trompete 8’ (a,H)

 

Brustwerk
Quintadena 8’ (a,H)
Flöte 4’ (a,H)
Octave 2’ (H)
Quinte 1 1/3’ (H)
Regal 8’ (H)

 

Pedal
Subbass 16’ (a)
Principal 8’ (G)
Octava 4’ (S)
Octava 2’ (F)
Posaune 16’ (H)
Trompete 8’ (H)
Trompete 4’ (H)

 

Pfeifenwerk:
a = 16. Jahrhundert
F = Gottfried Fritzsche (1637/38)
S = Arp Schnitger (1677)
G = Johann Paul Geycke (1770/72)
H = Gebr. Hillebrand (1993)

Manualumfang: CD – c’’’
Pedalumfang: CD – c’
Manualschiebekoppel, Tremulant, Zymbelstern

4 Keilbälge
 

 

Unsere Organisten erzählen von "ihrer" Orgel!

Helga Wallschlag:

"Über Steinfußboden, Eisenringe, die alte steile Holztreppe, durch die verschlossene Tür zur nächsten Treppe. Der Weg zur Orgel hin erscheint mir wie die Orgel selbst: uralt, eigenwillig, unverrückbar. Drei Sperrventile muss ich ziehen, um Klänge freizugeben. Zunächst war es die Quintade im Oberwerk, die mich verzauberte, später der warme Trompetenklang im Hauptwerk. Als Spielerin "bediene" ich das Instrument, ich folge seiner Schönheit. In digitalen Zeiten ein Ort der Ruhe, der Verlässlichkeit, ein bisschen Ewigkeit. Eine Gegenwelt."

Michael Fuerst:

Die Arbeit als Organist in Borstel erfüllt mich auf eine ganz besondere Art. Ich bin Spezialist für Alte Musik und freue mich, wenn ich entsprechende Stücke im Gottesdienst aufführen kann, um die Verkündigung und Stimmung dort zu vertiefen. Die Orgel ist genauso beschaffen, dass die Sachen, die ich am allerliebsten musiziere, in Borstel perfekt passen - ob solistisch oder im Ensemble. Ich bin überglücklich über die Unterstüzung der Kirchengemeinde und die Zusammenarbeit.